Vor 90 Jahren: Ein Großbrand vernichtet die Oranienburger Dampfmühle, der Speicher wird gerettet

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Der nachfolgende Text erscheint mit freundlicher Genehmigung von Herrn Jürgen Jancke. Hierbei handelt es sich um einen Auszug aus der „Rinn-Dokumentation“. Im Original stammt der Text möglicherweise aus einem Zeitungsbericht des Niederbarnimer Kreisblattes vom 22. Mai 1930. Die Rechtschreibung folgt dem Original.

Am Morgen des 22.5.1930 an der Brandstelle

Ein Grossfeuer, wie es in der Geschichte der Stadt Oranienburg in den letzten Jahrzehnten nicht dagewesen ist, hat heute Nacht die Oranienburger Dampfmühle in Schutt und Asche gelegt. Die Mühle, die im Besitz des Kaufmannes Max Lazarus, Berlin-Grunewald, ist, war infolge der Unwirtschaftlichkeit des Vermahlens eine Zeitlang stillgelegt worden, hatte aber seit rund drei Wochen den Betrieb wieder aufgenommen. Auch gestern war sie in Tätigkeit und hatte bis 3 Uhr Nachmittags gearbeitet. Gegen 6 Uhr kontrollierte der Betriebsleiter Lehmann die ganze Anlage und überzeugte sich persönlich davon, dass alle Türen, die von der Mühle zu dem 45 Meter hohen Silogebäude führen, fest verschlossen waren. Der Wächter Mielke, der bereits seit neun Jahren in der Mühle beschäftigt ist, trat dann seinen Dienst an und machte seine Rundgänge nach dem vorgeschriebenen Turnus. Gegen 9 Uhr machte er wieder seinen Weg, bemerkte aber nichts von der kommenden Gefahr. Nah Kontrolle des Kesselhauses und des Maschinenhauses, ging er in den Garten und Pferdestall und stach gegen 10 Uhr die Kontrolluhr. Dabei sah er einen der beiden Schornsteine an einer Stelle rot beleuchtet.

Er vermutete zuerst, dass es sich um eine brennende Laterne handelte und ging in die Mühle. Hier traf er auf eine starke Qualmentwicklung und weckte dann sofort den Betriebsleiter, der seinerseits die Feuerwehr alarmierte. In wenigen Minuten war die Freiwillige Wehr da. Sie fuhr mit der Motorspritze an den das Grundstück begrenzenden Havelarm und konnte wenige Minuten nach Eintreffen bereits Wasser geben. Trotzdem war noch nicht viel zu sehen. Eine grosse Qualmentwicklung zeugte allein von dem Brande. Wenige Minuten später schien aber das Feuer Luft bekommen zu haben und in hoher Flamme schlug es aus dem Dach des Mühlengebäudes in unmittelbarer Nähe des Silos.

Bei der riesigen Geschwindigkeit, mit der das Feuer sich über den ganzen Komplex ausbreitete, war mit einer Rettung der Mühle von vornherein kaum zu rechnen. In dieser richtigen Erkenntnis beschränkte sich [die] Wehr, die bald durch zahlreiche andere Wehren aus den Nachbarorten verstärkt wurde, auf den Schutz der drei umliegenden Gebäude, des grossen Silos nämlich auf der linken Seite, eines Getreidespeichers auf der rechten Seite und des Kessel- und Maschinenhauses auf der Rückseite der brennenden Mühle.

Die Feuerwehren hatten bei diesem Riesenfeuer einen unglaublich schweren Stand. Erstmals bestand Explosionsgefahr, ferner entwickelte sich eine unglaubliche Hitze, die dazu zwang, die Wehrleute in der ersten Linie alle drei Minuten abzulösen. Ungeheure Funkengarben stiegen in die Luft und machten es nötig, alle Dächer in der Lehnitzstrasse, aber auch in der Fischerstrasse, Post- und Havelstrasse unter Kontrolle zu halten. Die Funken, meist in Brand geratene Getreidekörner, flogen kilometerweit in der Stadt umher.

Die die Entwicklung des Brandes nicht abzusehen war, forderte Bürgermeister Dr. Horn Brandhilfe von Berlin an. Der riesige Feuerschein, der auf viele Kilometer gesehen wurde, zeigte allen Wehren aus dem Kreis und Nachbarkreisen den Weg. So viele Feuerwehren war[en] noch nie in unserer Stadt versammelt wie bei diesem Brand. Erschienen waren folgende (nach Eintreffen): 1. Wehr Oranienburg, 2. Fabrikfeuerwehr der Auer AG, dann die Wehren von Friedrichsthal, Mals, Sachsenhausen, Lehnitz, Velten, Bo[r]gsdorf, Grabowsee, Birkenwerder, Frohna, Liebenwalde, Wandtlitz [sic!], Bärenklau, Nassenheide, Schwante und dazu zwei Ber[li]ner Berufsfeuerwehrzüge. Dazu kamen noch einige Abteilungen der Freiwilligen Sanitätskolonnen (Orbg., Birkenwerder, Friedrichsthal) und drei Züge der Technischen Nothilfe.

Bei dem ganzen Unglück war es ein Glück, dass von Wassermangel auf Grnd der nahen Havel nicht gesprochen werden kann. Zeitweise bekämpften 15 Rohre das Feuer. Die Ursache wird sich wohl nie klären lassen. Möglicherweise hat sich am Tage ein Lager heiss gelaufen. Andere wollen beobachtet haben, dass das Feuer auf dem sogenannten Sichtboden im obersten Stock des Mühlengebäudes entstanden ist. Die Befürchtungen, dass auch der Silo grossen Schade leiden könnte, haben sich als unbegründet erwiesen. Das Gebäude ist 1916 neu erbaut worden und besteht zum grössten Teil aus Eisenbeton.

Die 400 Tonnen Getreide, die im Silo eingelagert sind, blieben unberührt. Auch das Maschinenhaus konnte gerettet werden. Hier sind vor allem am Dach Brandschäden entstanden. Gegen 4 Uhr konnten die ersten Wehren abrücken. Unsere Wehr und die Berliner blieben auf der Brandstelle und mussten noch bis gegen heute Mittag aufflackernde kleine Brandherde ablöschen. Die Oranienburger Dampfmühle ist in der Nacht vom 23. zum 24.2.1916 schon einmal von einem verheerenden Feuer heimgesucht worden. Damals brach das Feuer im Silo aus, der ein Raub der Flammen wurde. Die eigentliche Mühle konnte damals erhalten werden, in der letzten Nacht hat sich das umgekehrte Schicksal ereignet.

Quelle: Jancke, Jürgen: Die „Rinn-Dokumentation“, Band 2, Oranienburg 2013, S. 38–40.